… ich bin schon genug mit Überleben beschäftigt.“
Ein Beitrag von Hans-Jürgen Lahann, Leitung ambulante Erziehungshilfe
Ziele fordern uns heraus, denn sie liegen außerhalb der Komfortzone. Ist das der Grund, warum wir uns mit dem Setzen von Zielen so schwer tun?
Denn egal, wohin ich schaue, egal welche Ebene ich betrachte oder welchen Prozess, das Setzen von Zielen wird oft vermieden wie eine heiße Kartoffel. Bloß nicht die Finger daran verbrennen. Oder es werden Ziele formuliert, die sowieso erreicht werden, die keine Veränderung darstellen. Damit „wenigstens etwas“ dort steht. Ob bei der pädagogischen Arbeit in den Handlungsplänen oder Hilfeplänen, in Personalentwicklungsgesprächen, bei der Jahresplanung von Teams oder Einrichtungen, oder auch auf Leitungsebene: gute Absichten gibt es viele. Aber sobald daraus konkrete Ziele werden sollen, wird das Gespräch stockend oder die guten Absichten landen in der Schublade, wie Neujahrsvorsätze am 5. Januar. Kommen wir drauf zurück, wenn Zeit dafür ist…
Dabei sollte gerade uns, die wir täglich intensiv mit Menschen daran arbeiten, deren Leben besser, leichter und erfolgreicher zu machen, die Arbeit mit Zielen so sehr im Blut liegen, wie dem Bäcker das Teig anrühren.
Warum ist das so? Im Laufe der Zeit habe ich einige Argumente gegen das Ziele setzen „gesammelt“:
Ziele seien unflexibel und starr, höre ich oft. „Ich weiß doch jetzt noch nicht, was in einem Jahr ist, da kann ich mich doch jetzt nicht schon festlegen.“ Dabei hat niemand etwas davon gesagt, dass man Ziele nicht auch verändern kann. „Kopf durch die Wand“, nur weil einmal als Ziel festgelegt, hilft niemandem…
Aber da gibt es auch das „fachliche“ Argument: „Das Setzen von Zielen am Anfang stört den Beziehungsaufbau, weil es die Klienten unter Druck setzt.“ Die Frage nach konkreten Zielen behindert also die Beziehungsarbeit… Dabei schweißt doch nichts so sehr zusammen, wie die gemeinsame, erfolgreiche Arbeit, an einem gemeinsamen Ziel! Wenn wir beide uns einig sind, in welche Richtung wir arbeiten wollen, dann geht der Rest doch wie von selbst und dann fühlen sich beide verstanden und unterstützt… Was will ich mehr? Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass eine Vermeidung des Redens über Ziele eine unehrliche Beziehung hervorbringt. Wir lassen uns beide im Unklaren darüber, wo der gemeinsame Weg aus meiner Sicht hingehen soll. In der Hoffnung, dass es sich dann „so ergeben“ wird. Und was, wenn nicht?!
Oder: „die Klienten sind damit überfordert, Ziele zu finden bzw. zu setzen, die wissen noch gar nicht, was sie wollen.“ Na prima, dann ist das doch genau unsere Aufgabe, das mit ihnen herauszufinden! Und das könnte doch ein prima Ziel sein! Aber im Grunde ist doch die Frage, was aus Sicht der Klienten für sie „besser werden soll“ relativ einfach… Jede*r fällt etwas ein, was besser sein sollte im Leben… Und schon hat man einen Anfang für ein Zielgespräch…
Ein weiterer Grund ist Angst vorm Scheitern. Ich lege lieber kein Ziel fest, dann bin ich auch nicht enttäuscht, wenn ich es nicht erreiche. Dabei ist derjenige, dessen Ziel es war, den Mount Everest zu besteigen und es nur bis auf die Zugspitze geschafft hat, wesentlich weiter gekommen als der, der im Tal sitzt und von der Gipfelaussicht träumt. Scheitern gehört dazu. Von nichts lässt sich mehr gewinnen und lernen als von nicht erreichten Zielen.
Wer sich ein Ziel setzt, macht dadurch auch eine Priorität deutlich. Ich habe mich von unzähligen Möglichkeiten für dieses eine Ziel entschieden. Diese Entscheidung braucht einen Orientierungs-rahmen. Sie braucht Werte, um sich entscheiden zu können. Vielleicht liegt unsere Angst im Umgang mit Zielen auch daran, dass wir keinen Werte-Kompass mehr haben. Und dass wir deshalb gesetzte Ziele nicht mit Werten hinterlegen und begründen können. Veränderung erfordert Entscheidungen und diese erfordern gute Gründe, welche auf einem guten Wertekomplex stehen sollten. Alles hängt mit allem zusammen.
Ziele fordern uns, sie fordern uns heraus. Ziele liegen außerhalb der Komfortzone. Das ruft den inneren Schweinehund auf den Plan. Aber gerade er sollte uns hellhörig machen. Denn er sagt ganz klar, dass es so, wie es jetzt ist, nicht gut ist. Denn es reicht nicht mal mehr zum Überleben (oder gerade so…). Soll das etwa so bleiben? Doch sicher nicht… und schon könnte es sich lohnen, über ein Ziel nachzudenken…
Veränderung ist ein Naturgesetz. Nichts bleibt so, wie es jetzt ist… Wir haben nur die Wahl, ob wir uns die Richtung von anderen vorgeben lassen und mit „Überleben“ zufrieden sind, oder ob wir (uns) selbst aktiv Ziele setzen und einen eigenen Weg gehen. Nur wenn ich weiß, wo ich hin will, kann ich auch alles tun, um dorthin zu kommen.
Hans-Wendt hat sich jetzt auf den Weg gemacht, die nächsten Jahre aktiv zu gestalten und Strategien für ein erfolgreiches Vorgehen zu entwickeln. Das wird nicht ohne konkrete Ziele gehen… Auch diese werden uns herausfordern und fordern. Auf jeder Ebene… Sie werden hoffentlich ambitioniert und groß gedacht sein. Sie werden uns darin unterstützen, eine aktive Rolle in der Gestaltung der Bremer Sozial-Landschaft zu bleiben und darüber hinaus.
Denn Überleben allein reicht nicht mehr…